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Gabriele Gerbasits: "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit"

Dieses titelgebende Zitat von Karl Valentin ist in der aktuellen Diskussion um eine weitere seiner Einsichten zu ergänzen: „Mögen hätte ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut.“

Denn rückblickend ist der Mangel an politischem Gestaltungswillen und dem Übernehmen von politischer Verantwortung in der Kulturpolitik des Bundes seit mehr als einer Dekade zu beobachten. Beide Ebenen politi schen Handelns, sowohl das Visionäre als auch das Pragmatische, blieben jahrzehntelang stark unterbelichtet. Kulturpolitik als Anhängsel der Bildungspolitik oder gar zur Chefsache erklärt, war nie prioritär. Selbst als der Künstler Franz Morak kurz ein Staatssekretariat für Kunst und Kultur übernahm, war dort angesichts der unheiligen Allianz, die seine Partei mit den Rechten eingegangen war, der politische Horizont von Angst, Zorn und persönlicher Beleidigtheit eingegrenzt.

Dies ist kein österreichisches Spezifikum, denn es gibt auf Bundesländerebene und international zweifellos Schlimmeres zu beobachten, aber auch das Gegenteil ist möglich. Genau dieses Gegenteil, eine moderne, zielorientierte und investitionsfreudige Kulturpolitik und Kulturverwaltung, sind die gewählten Verantwortlichen den BürgerInnen schuldig.

Länder und Gemeinden zeichnen ein sehr differenziertes Bild, das von Innovation und Vision (z.B. Festival der Regionen in Oberösterreich) überhermetisch versiegelten Stillstand (Kulturamt der Stadt Wien) bis zur Zerstörungswut (Kärnten unter Jörg Haider) reicht. Auf Bundesebene war die Visionslosigkeit Programm. Zuletzt hat die sozialdemokratische Kulturministerin Claudia Schmied nicht nur jeden Austausch mit anderen als der Hochkultur zugehörigen Einrichtungen verweigert, sie hat ihre Perspektivenlosigkeit auch in Zeitungsinterviews vor sich hergetragen. Aus diesem Grund hatte die IG Kultur Österreich 2011 zahlreiche Kulturschaffende aufgefordert, an der Artikelsammlung „Alternativen zum Verlust der Kulturpolitik“ 1 mitzuwirken. Nach 27 Artikeln wurde 2012 die Reihe abgeschlossen und hat bis heute nichts an der Dringlichkeit ihrer Umsetzung verloren. Auf den politischen Dialog, der sich daraus ergeben könnte, sollten die Kulturschaffenden nicht warten. Dieses demokratiepolitische Level ist in Österreich noch nicht erreicht. Vielmehr ist gemeinsames Handeln, Fordern und Durchdringen der Entscheidungsstrukturen gefragt.

Es hilft nichts, den Untergang der Kulturpolitik zu beklagen. Nur wenn Menschen sich in Solidargemeinschaften für eine Stärkung der Zivilgesellschaft einsetzen, können diese strukturellen Blockaden überwunden werden. Dazu müssen auch die Kulturschaffenden über ihren Tellerrand blicken: Das effektivste Bollwerk gegen Partizipation und BürgerInnennähe ist das Amtsgeheimnis, dahinter lassen sich Willkürentscheidungen anstelle von Kulturentwicklung und Nepotismus anstelle von Qualitätskriterien verbergen. Transparenz und Mitbestimmung sind die Ziele, die die Kulturschaffenden erreichen müssen, bevor eine andere und eine nachhaltige Kulturpolitik möglich wird.

Gabriele Gerbasits ist Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich und hat davor sowohl als Beamtin der Kunstsektion des Bundes als auch als parlamentarische Kulturreferentin Erfahrungen sammeln können. 1 Artikelserie: Alternativen zum Verlust der Kulturpolitik http://igkultur.at/medien/presse/alternativen-zum-verlust-der-kulturpolitik