Kulturarbeit im Strafvollzug muss dem 21. Jahrhundert adaequat angepasst stattfinden!
Das Beispiel der Vorgangsweise des Justizministeriums mit der Produktion des Wiener Vorstadttheater zeigt deutlich auf, wohin die ideologische Reise geht wenn PolitikerInnen ihr Tun ausschließlich an rechten - oesterreichischen Boulevardmedien ausrichten.
Zum Schaden der resozialisierenden Sozialarbeit
Zur Rekapitulation: Nach Antragstellung und Genehmigung der Produktion des Wiener Vorstadttheaters Gerettet! von Edward Bond seitens des Justizministeriums unter Maria Berger zog das Justizministerium unter Bandion-Ortner nach monatelangen Probearbeiten die Genehmigungen fuer die oeffentlichen Veranstaltungen kurzerhand zurueck. Die lapidare Begruendung: Es koenne nicht sein, dass Moerder Moerder spielen. Natuerlich haben nicht die Anstaltsleitungen die Mitwirkenden vorgeschlagen, ABER es konnten sich alle InsassInnen zum Theaterprojekt melden, da KEINE Einschraenkungen oder Auflagen seitens der Vollzugsdirektion oder des Ministeriums bestanden. das Wiener Vorstadttheater wusste und weiß nicht Bescheid darueber, welche Straftaten die jeweiligen Laiendarstellerinnen veruebt haben.
Die Absage wenige Wochen vor den oeffentlichen Auffuehrungen fuehrt, oekonomisch betrachtet, zu einem Schaden der resozialisierenden Sozialarbeit. Der Reingewinn der Produktion waere in den Sozialverein Der Weg geflossen, also den Haftinsassinnen selbst zu gute gekommen. Dass ohne oeffentliche Auffuehrungen kein Gewinn moeglich ist, versteht sich von selbst, im Gegenteil, die Produktion ist damit defizitaer.
Kulturarbeit hinter Gittern bedeutet oeffentliche Zweitverurteilung der Anstaltsinsassinnen
Die Produktion wurde bis dato nur einmal in der Justizanstalt Gerasdorf aufgefuehrt. Hinter Gefaengnismauern, praktisch mit auferlegtem Medienverboten. Dies gleicht einer Zensur von Kulturarbeit wie zu Metternichs besten Zeiten. Wenige Tage nach der Premiere versuchte der Boulevard die oeffentliche Subventionierung der Produktion nochmals auf seine Art und Weise aufzurollen. In der Gratistageszeitung heute wird etwa berichtet, dass Totschlaeger vor Schuelern auftreten wollten, oder oder dass Jung-Kriminellen ihr Theaterspaß bezahlt wird.
Offensichtlich wird hier der gegenwaertigen Politik von Seiten des oesterreichischen Boulevards eine (Kultur)Politik diktiert, welche die IG Kultur Wien als unertraeglich ansieht. Wir erklaeren uns bezueglich der Absetzung der Produktion Gerettet! und der Angriffe kleinformatiger Printmedien auf das Wiener Vorstadttheater unter der Leitung von Manfred Michalke mit dem Wiener Vorstadttheater solidarisch.
Weiters halten wir fest, dass Kulturproduktionen mit HaftinsassInnen bis vor kurzem kein Problem dargestellt bzw. zu keinen Problemen gefuehrt haben und in vielen demokratischen Staaten Europas zur Normalitaet gehoeren. Die Vorgangsweise des Justizministeriums stellt einerseits einen Affront gegen professionelle; freie Kulturarbeit dar, andererseits hat sie zu einer oeffentlichen Zweitverurteilung und Stigmatisierung der HaftinsassInnen gefuehrt. Dass gerade in Jugendstrafvollzugsanstalten wie Gerasdorf der resozialisierende Charakter an oberster Stelle stehen muss, erscheint logisch. Worin dieser bei einer derartigen Vorgangsweise liegen soll bleibt schleierhaft. Eher erinnert diese ministerielle Posse an eine Anlehnung an Fjodor Dostojewskis Roman Schuld und Suehne.
Die IG Kultur Wien fordert daher:
- Die Produktion Gerettet! muss in der urspruenglich vom Justizministerium genehmigten Besetzung auf oeffentlichen Buehnen aufgefuehrt werden.
- Kulturarbeit mit Personen aus benachteiligten und marginalisierten Randgruppen muss gefoerdert und nicht unterbunden werden.
- Der Stellenwert der Kulturarbeit darf nicht unwidersprochen als Freizeitvergnuegen diskreditiert werden.
- Als einzige urbane Interessenvertretung freier Kulturschaffender in oesterreich fordern wir maßgebliche politische EntscheidungstraegerInnen der Stadt Wien auf, politisch Stellung zu beziehen bzw. gemeinsam mit der magistralen Ebene verstaerkt Produktionen mit sozialkritischem Hintergrund von gesellschaftlichen Randgruppen welchen Genres und auch immer zugehoerig zu unterstuetzen und foerdern.
- Keine weitere Boulevardisierung der (Kultur)Politik! Stattdessen muss eine integrative und partizipative Kulturpolitik gefoerdert und oeffentlich transportiert werden.
14.10.09