In Zeiten eines zunehmend autoritären gesellschaftlichen Klimas, in dem rassistische, antisemitische, LGBTIQ*-feindliche und antifeministische Positionen in die gesellschaftliche Mitte vordringen, leidet auch die Freiheit von Kunst und Kultur. 

Kunst und Kultur sind auch in Österreich öffentlicher Diffamierung ausgesetzt. Angriffe auf die freie und autonome Kunst- und Kulturszene sind aber nur ein Aspekt zunehmender rechter Aktivitäten, deren Ziele oft auch muslimische und jüdische Einrichtungen oder Asylwerber*innenheime sind. Flüchtenden wird es zunehmend erschwert bis verunmöglicht, sicher nach Europa zu kommen, Schutz und menschenwürdige Aufnahme zu finden. 

Wenn sich in einem solchen gesellschaftlichen Klima rechte Akteur*innen zunehmend sicher und bestärkt fühlen, die Akzeptanz für rassistische Gewalt und andere rechtsextreme Aktivitäten immer mehr Gesellschaftsschichten durchdringt, wird die Freiheit von Kunst und Kultur aber nicht mehr nur strukturell, sondern handfest und bisweilen auch mit physischer Gewalt angegriffen. In den vergangenen Jahren kam es wiederholt zu Angriffen auf freie und autonome Kulturinitiativen und Kunstprojekte. Von Sachbeschädigungen, Einbrüchen, Hausfriedensbrüchen bis hin zu Störaktionen reichten die Einschüchterungsversuche. 

Insbesondere Initiativen, die sich politisch gegen Rassismen, Sexismen, Antisemitismus und Rechtsextremismus engagieren, wurden Ziel derartiger Attacken. Es ist zu befürchten und zu verhindern, dass den Angriffen auf Räume und Kunstprojekte Angriffe und Gewalt gegen Menschen folgen. 

In Kooperation mit Arts Rights Justice Austria dokumentieren wir Angriffe auf Kunst und Kultur sowie auf Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen. Damit sie nicht zur hingenommenen Alltäglichkeit werden, an die wir uns gewöhnen, und über die kein Wort mehr verloren werden muss. Damit wir uns gemeinsam dagegen stellen. 

Bitte beteiligt euch an dieser Dokumentation: Informiert uns über Vorkommnisse, schickt Dokumentationsmaterial. Wenn ihr Angriffe zwar mitteilen möchtet, aber nicht wollt, dass darüber öffentlich berichtet wird, teilt das bitte auch mit.

• FPÖ Wien will Dragqueen-Auftritte verbieten, rechtsextreme Demo gegen queere Kinderbuchlesung am 16. April 2023
  
  Um aus Gründen angeblichen "Jugendschutzes" Dragqueen-Auftritte vor Kindern zu verbieten, hat die Wiener FPÖ eine Sondersitzung des Landtags beantragt. Sie verbreitet dabei Falschinformationen wie die Unterstellung von "Sexualisierungspropaganda" und behauptet, die Existenz von Transgeschlechtlichkeit sei "Blödsinn".
  Vorbild ist das kürzlich erlassene gesetzliche Verbot von öffentlichen Drag-Auftritten im US-Bundesstaat Tennessee, das Drag-Künstler*innen mit bis zu einem Jahr Haft bedroht. Auch die Wiener ÖVP sprach sich für ein Verbot von Drag-Auftritten aus.
  
  Die FPÖ ruft gemeinsam mit Identitären und anderen Rechtsextremen zu Störaktionen und Demonstrationen gegen eine Reihe von Drag-Lesungen auf, so im März bei der Lesung von Candy Licious in einer Buchhandlung in Mariahilf. Gegen "Drag Storytime 4 Kids" in der Türkis Rosa Lila Villa am 16. April mobilisieren FPÖ und rechtsextreme Identitäre gemeinsam mit christlichen FundamentalistInnen. Am 28. März griffen Identitäre die Villa an. Die Türkis Rosa Lila Villa war in der Vergangenheit mehrfach Ziel rechter Bedrohung und Gewalt.
  Die rechtsexreme Hetze belegt queere Kunst und Kultur mit dem antisemitisch konnotierten Schlagwort "Globohomo" und diffamiert Drag-Lesungen als "Kindesmissbrauch". Sie stellt die Existenz und Sichtbarkeit von queeren Menschen als Bedrohung dar.
  
  Antifaschistische und linke Gruppen rufen unter dem Motto "Queers Fight Back" zu einer Gegenkundgebung vor der Villa an der Linken Wienzeile auf, ab 7 Uhr früh, sowie zur Kundgebung "Wien ist Queer! Drag is not a crime" um 9 Uhr.
  
  "Die von rechten Gruppen organisierten Proteste, die auf die Streichung des Drag Storytime-Programms abzielen, sind ein klarer Angriff auf die künstlerische Freiheit. Sie tragen zur weiteren Marginalisierung der LGBTQIA+ Community in Österreich bei", stellt das Netzwerk Arts Rights Justice Austria fest.
  
  Mehr Infos unter: https://villavida.at/solidarity/
  Berichte im Standard: https://www.derstandard.at/story/2000144306660/wiener-fpoe-beantragt-verbot-von-dragqueen-shows-fuer-kinder
  https://www.derstandard.at/story/2000145353397/rechtsextreme-demo-gegen-kinderbuchlesung-einer-dragqueen
  
  Bei der Landtagssitzung Ende März stimmte die ÖVP mit der FPÖ für ein Verbot von Drag-Auftritten. Der Antrag wurde abgelehnt.

• In der Nacht auf den 3. Juni 2022 gab es einen rechtsextremen Angriff auf eine Kinderbuch-Lesung der Drag Queen Candy Licious in der Bücherei Mariahilf im Rahmen von Vienna Pride. Identitäre Rechtsextreme vermauerten den Eingang.
  
  Vorangegangen waren Hasskampagnen und Drohungen gegen die LGBTIQ+Community. Die rot-weiß-rote Mauer und die dort verstreuten rechtsextremen Flugblätter richteten sich gegen den Pride Month und gegen Literatur und Pädagogik, die die Realität sexueller und geschlechtlicher Vielfalt sichtbar macht.
  
  Die Bücherei riss die Mauer unverzüglich ab, die Lesung war sehr gut besucht. Wegen der Bedrohung hatten allerdings nur Personen mit Kindern Zutritt.
  
  Ann-Sophie Otte, Obfrau der HOSI Wien, kommentierte: „Aktionen wie diese zeigen, wieso Vienna Pride und die Regenbogenparade als größte Demonstration Österreichs immer noch nötig sind. Es geht heute mehr denn je um Aufklärung und Dialog, damit LGBTIQ-Menschen in unserer Gesellschaft endlich mit dem gleichen Respekt behandelt werden wie alle anderen auch. Wer diesen Dialog verhindern will, setzt sich selbst ins Unrecht."
  
  Bericht im Standard: https://www.derstandard.at/story/2000136283306/wien-rechtsextreme-betonierten-buechereieingang-vor-lesung-einer-dragqueen-zu?ref=article